Aufwärmen fürs Training ist eine Sache für sich. Im Grunde weiß jeder, dass es wichtig ist, dennoch wird es immer
wieder übersprungen oder nur halbherzig durchgeführt. Warum ein gründliches Warm Up fester
Bestandteil einer jeden Trainingseinheit sein sollte und wie man dieses effektiv gestaltet, erfährst du
hier. Ich hoffe, dass dieser Beitrag genügend Anreiz für dich schafft, sodass du dir zukünftig Zeit für
ein gründliches Aufwärmen nehmen wirst.
Warum ist Aufwärmen fürs Training so wichtig?
Wir starten mit einer kleinen Analogie. Bevor ein Rennfahrer sich in sein Fahrzeug setzt und so richtig
loslegt, wird er einige Vorbereitungen treffen müssen. Zuerst wird er seinen Kurs visualisieren und im
Geiste durchgehen. Anschließend wird er seine Schutzkleidung anlegen und sich dabei von seinen
Teamkollegen noch etwas Zuspruch holen. In der Zwischenzeit wurde bereits sein Fahrzeug startklar
gemacht. Der Fahrer ist bereits voller Euphorie und kann es kaum erwarten, seinen Mitstreitern zu
zeigen was in ihm steckt. Jedoch weiß er, dass er sein Fahrzeug zuerst noch warmfahren muss. Dies
ist von sehr hoher Wichtigkeit, wenn es um Langlebigkeit seines geliebten Fahrzeuges geht. Er weiß
auch, dass für maximale Performance der Motor auf Betriebstemperatur gebracht werden muss. Erst
wenn all dies geschehen ist, kann er sich ins Geschehen stürzen und Spitzenleistungen abrufen. Was
hat der Rennsport nun mit Krafttraining zu tun? Berechtigte Frage. Die Antwortet lautet: Mehr als
man denkt!
Besseres Aufwärmen für bessere Trainings
Ähnlich wie mit dem Gefährt des Rennfahrers verhält es sich nämlich mit dem menschlichen Körper.
Dieser mag es gar nicht, wenn er aus seiner Ruhe gerissen wird uns sofort gezwungen wird, an seine
Grenzen zu gehen (oder nahe dran). Insbesondere ist er gar nicht dazu in der Lage, sein wahres
Potential zu entfalten. Ist uns also maximale Performance im Gym wichtig, ist Aufwärmen also ein
absolutes Muss. Wer mir nicht glaubt, kann gerne mal versuchen, seine Bestleistung im Kreuzheben
direkt nach dem Betreten des Gyms zu bewältigen. Viel Spaß! Dies wird zunehmend schwerer, je
fortgeschrittener man als Athlet bereits ist. Natürlich ist nicht jeder daran interessiert, Bestleistungen
im Kraftsport abzuliefern. Falls du aber glaubst, dass du in diesem Fall die Berechtigung hast, einfach
so loszulegen, liegst du falsch. Der Hauptgrund für gründliches Aufwärmen ist nämlich die
Verletzungsprophylaxe. Die technischen Details möchte ich hier nicht im Detail diskutieren.
Vereinfacht ausgedrückt lässt sich aber folgendes festhalten:
– Nur ein gut durchbluteter Muskel kann effizient performen.
– Nur ein Muskel, welcher bereits durch vorangegangene leichte Belastungen eine erhöhte
Temperatur aufweist, kann maximal kontrahieren (sich zusammenziehen).
– Die Ansteuerung der Muskulatur durch das Nervensystem ist ein Skill (intramuskuläre
Koordination), welcher erst durch wiederholtes Ausführen der relevanten Bewegung mit
leichten Lasten optimiert wird.
– Die hohen Puls- und Blutdruckspitzen, welche bei höheren Anstrengungen auftreten, sollten
nicht diejenigen sein, welche den Körper aus dem Ruhezustand bzw. aus dem natürlichen
Gleichgewicht (Homöostase) bringen. Es sollte eine Art „Vorbereitung“ für Kreislauf und
Gefäße durch leichtere Anstrengungen stattfinden.
– Stundenlanges Sitzen (oft in anatomisch schlechten Positionen) erschwert anspruchsvolle
Bewegungsabläufe signifikant, wodurch in weiterer Folge das Verletzungsrisiko steigt.
– …
Einige weitere Gründe, die für gründliches Aufwärmen fürs Training sprechen:
– Man schafft sich die Möglichkeit, langsam in die Bewegung hineinzukommen und sich auf
saubere Technik zu konzentrieren. Etwaige Fehler fallen sofort auf und können noch vor den
Arbeitssätzen bei leichterem Gewicht korrigiert werden
– Dies ist der perfekte Zeitpunkt um mit neuen Techniken / Cues zu experimentieren. Etwas
völlig Neues sollte nie bei schweren Lasten implementiert werden.
– Innerhalb der ersten Sätze wird sich herausstellen, wie gut deine individuelle
Tagesverfassung ist. Eventuell kann das geplante Gewicht nach oben oder unten korrigiert
werden.
In diversen Studien wurde gezeigt, dass gründliches Aufwärmen das Verletzungsrisiko drastisch
senken kann.
Wie sieht ein sinnvolles Aufwärmprogramm aus?
Um diese Frage beantworten zu könne, müssen wir definieren, was das Ziel eines solchen
Programmes ist. Wir wissen bereits, dass wir das Verletzungsrisiko minimieren und unseren
physischen Output maximieren wollen. Im Grunde wollen wir unseren Körper möglichst intelligent
auf die bevorstehende Belastung vorbereiten. Das hierfür eine Minute Seilspringen nicht ausreicht,
liegt auf der Hand. Schließlich ist der gemessene physische Output stets kontextabhängig. Mit
anderen Worten: Eine Marathonläuferin sollte sich anders für ihr Training aufwärmen als ein
Powerlifter, der geplant hat, 280 Kilogramm in der Kniebeuge zu bewältigen. Während es in der
einen Sportart darum geht, die Leistung über lange Zeit möglichst konstant aufrechtzuerhalten, geht
es in der anderen darum, innerhalb einer kurzen Zeitspanne maximale Leistung abzuliefern.
Unterschiedlicher geht es kaum. Wir unterteilen das Aufwärmen in drei Segmente.
(1) Allgemeines Aufwärmen
Hier geht es lediglich darum, den Körper auf „Betriebstemperatur“ zu bringen. Dies kann
durch verschiedene Vorgehensweisen erzielt werden. Seilspringen, Jumping Jacks, Burpees,
Squat Jumps, High Knees sind prominente Beispiele. Noch ist Spezifität nicht relevant.
Wenige Minuten genügen. Als sinnvoller Indikator für die Dauer dient jener Zeitpunkt, in
welchem man leicht zu schwitzen beginnt.
(2) Mobilisierung
Wie der Name bereits vermuten lässt, wollen wir uns hier auf komplexere Bewegungen
vorbereiten und unseren Körper langsam an die Bewegungsmuster anpassen. Dynamisches
Dehnen (beispielsweise wippende Bewegungen) hat sich hier bewährt. Je verspannter /
steifer man sich fühlt, desto gründlicher sollte dieser Teil ausgeführt werden. Am Ende des
Mobilisierens ist es empfehlenswert, sich bereits an (für das bevorstehende Workout)
spezifischen Dingen zu üben. Ein Beispiel dafür ist das Verharren in der tiefen Position einer
Körpergewichts-Kniebeuge. Diese sollte ebenso anatomisch korrekt und gewissenhaft
ausgeführt werden, wie die Variante mit Gewicht später im Training.
(3) Spezifisches Aufwärmen
Dies ist der mit Abstand wichtigste, aber leider auch der Teil, der am häufigsten
außenvorgelassen wird. Wenn man nur einen der drei Teile gründlich ausführen will (was
nicht empfehlenswert ist), dann sollte das unbedingt dieser sein. Bleiben wir bei dem
Beispiel, dass wir das Workout mit der Kniebeuge starten. Der Körper ist nun endlich bereitt, dass
wir uns ins Rack begeben können – juhu! Wir beginnen, unabhängig vom geplanten
Arbeitsgewicht, einige Wiederholungen mit der leeren Stange zu absolvieren. Danach
erhöhen wir das Gewicht etwas, wiederholen den Vorgang und so weiter. So geben wir
unseren Körper die Chance, sich nach und nach an stetig schwerer werdende Lasten zu gewöhnen.
Im Allgemeinen beginnt man mit wenig Gewicht und vielen Wiederholungen und
arbeitet sich hoch zum geplanten Arbeitsgewicht. Je näher wir an dieses Gewicht kommen,
desto mehr können wir unsere Wiederholungen reduzieren, um uns nicht zu sehr zu
ermüden (Warm Up ist nicht gleichbedeutend mit Pass Out ). Wie groß die
Gewichtssprünge sein sollen, ist sehr individuell und abhängig vom Endgewicht.
Wie viele Aufwärmsätze sind notwendig?
Grundsätzlich sollte niemand weniger als zwei Aufwärmsätze ausführen. Daraus folgt
natürlich, dass stärkere Athleten wesentlich länger zum Aufwärmen brauchen. Dies ist völlig
normal und durchaus sinnvoll. Hier ist gründliches Aufwärmen fürs Training sogar noch wichtiger und darf
keinesfalls übersprungen werden. Fünf Aufwärmsätze und mehr sind keine Seltenheit.
Natürlich muss das spezifische Aufwärmen für jede neuartige Übung extra durchgeführt
werden. Du kannst beispielsweise noch so viele Warm Up Sets in der Kniebeuge absolvieren.
Diese werden dir jedoch im Anschluss kaum beim Bankdrücken helfen.
Aufwärmen, aber nicht ausbrennen
Alle drei Segmente sollten in jeder Trainingseinheit durchlaufen werden. Insbesondere unterscheidet
sich zielgerichtetes Aufwärmen fürs Training durch den spezifischen Teil. Bemerkt sei an dieser Stelle, dass starke
Erschöpfung, hervorgerufen durch das Warm Up, definitiv NICHT wünschenswert ist. Leichte
Anstrengung hingegen sehr wohl.
Bei uns im Garage Gym unterstützen wir dich bei den ersten beiden Teilen. Im spezifischen Teil bist
du auf dich gestellt, wobei natürlich jederzeit ein*e Trainer*in für Fragen jeglicher Art zur Verfügung
steht. Deshalb möchte ich diesen Teil im Folgenden beispielhaft veranschaulichen.
So funktioniert es in der Praxis
Zwei Beispiele für ein sinnvolles spezifisches Warm Up, nachdem die ersten beiden Teile bereits
durchgeführt wurden:
– Athletin A möchte ca. 30 Kilogramm für 6 Wiederholungen (30×6) im Bankdrücken für
mehrere Sätze bewegen
1. 15×12 (startet mit einer 15kg-Langhantel)
2. 20×8
3. 25×6
4. 30×6 (erster Arbeitssatz – Warm Up abgeschlossen)
– Athletin B möchte ca. 80 Kilogramm für 8 Wiederholungen (80×8) im Kreuzheben für
mehrere Sätze bewegen
1. 20×15
2. 40×8
3. 60×6
4. 70×5
5. 80×8 (erster Arbeitssatz – Warm Up abgeschlossen)
Athletin B ist relativ stark und möchte sich in ihren Aufwärmsätzen nicht zu sehr erschöpfen.
Deswegen führt sie in den letzten Aufwärmsätzen nur wenige Wiederholungen durch. Ihr Körper hat
dennoch genügend Gelegenheit, sich an das schwere Gewicht anzupassen, da sie mehrere
Aufwärmsätze absolviert.
Sonstige Dinge, die es zu beachten gibt
Faktoren wie Außentemperatur oder Tagesverfassung können den benötigten Umfang des Warm
Ups beeinflussen. An kalten Wintertagen wirst du länger brauchen, bis du auf Temperatur
gekommen bist. Ebenso an „schlechten“ Tagen. Du bist bereits ganzen Tag auf den Füßen und fühlst
dich, als könntest du Bäume ausreißen? Dann kannst du eventuell etwas fahrlässiger in Teil 1 und Teil
2 des Warm Ups sein. Der dritte Teil sollte keinesfalls abgekürzt werden. Der Rennfahrer würde nicht
im Traum daran denken, die Warm Up – Runde auszulassen. Das darf er auch nicht – und zwar aus
gutem Grunde.
Auch die Komplexität der Übung und wie gut dir persönlich eine Übung liegt, hat großen Einfluss. Hat
man zum Beispiel bereits einige Sätze Bankdrücken absolviert, so muss man sich für weitere ähnliche
Übungen, wie zum Beispiel Liegestütze oder Fliegende, nicht mehr ganz so gründlich aufwärmen, da
unsere Zielmuskulatur bereits vorbelastet wurde. Dennoch ist der technische Lerneffekt nicht zu
vernachlässigen.
Je schlechter du dich an einem Trainingstag fühlst und je weniger dir die Übung liegt, desto
gründlicher solltest du dich aufwärmen. Nimm dir Zeit für deine Schwächen und bereite dich
angemessen vor, um so das beste aus deinen Workouts herauszuholen. So kannst du sie mit hoher
Wahrscheinlichkeit auch langfristig fit und gesund ausführen!
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